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Seminar III-1, 29.2.1996, Café Karin, FrankfurtAnwesend: Markus Halbe, Stefan Beck, Thomas Erdelmeier, Antonia Maric Notizen:
Das UntergrundseminarEine Kaffeehausrunde veranstaltet von Markus Halbe und Stefan Beck. Treffpunkte: jeden Freitag nachmittag; anfangs im Café Karin, später im Café Wacker. Von 1996 - 1998. Stefan: Mein Gedanke war diesen Sonntag im "Ritz" ein "Seminar" zu veranstalten, um irgendetwas dem blossen Konsumieren dieses Ortes, seiner Atmosphäre, seiner Einrichtung, seiner Musik entgegenzusetzen. Ich denke mir immer wieder, diese Clubs sollten doch zu mehr taugen, als nur dröge abzuhängen, es sollte auch ein Diskurs über den Ort und die dort möglichen Gespräche und Handlungen stattfinden können. Deshalb hatte ich letztes Jahr mit der Reihe "das seminar" begonnen, die als erstes von Hans Romanov Unterstützung fand. Diesen akademisch klingenden Titel habe ich mit Bedacht gewählt, um auf ein anderes, unausgesprochenes, auch Fremdes, hinzuweisen, daß an diesem Ort stattfinden könnte. Als Markus mich am Montag fragte: Worüber reden wir? warf ich einfach: Underground hin. Was ist UndergroundWas kann "Untergrund/Underground" heute noch für uns bedeuten? Welche Erinnerungen/Erzählungen verbinden wir damit? Gibt es noch "Untergrund"? Gab es jemals "Untergrund"? Welche Personen fallen uns zu diesem Thema ein?
Gerade eben habe ich die neue CD-ROM von Arosa 2000 (http://www-cui.darmstadt.gmd.de/~arosa/) angesehen. Politik ist outIch möchte es ganz kurz auf den Punkt bringen: Politik ist out. Wir wollen unseren Spaß. Die Gestaltung der CD ist hervorragend, aber die Themen der CD, sofern sie nicht durch die dokumentierten Künstler bestimmt wurden, kreisen auffällig um Freizeit, Nichtstun, Vergnügen. Es gibt kleine Video-Clips auf denen die Arosa-Protagonisten zu sehen sind wie sie am Main in der Sonne ligen, im Swimmingpool planschen, sich auf ein Event vorbeiten. Stücke eines entpolitisierten Lebens? Ein Leben, in dem Politik keine Rolle mehr spielt? Markus: Ja, ich frag mich auch, wann es eine Zeit geben wird, in der wieder Fragen gestellt werden, in der wieder Themen auf den Tisch kommmen, die im jetzigen Kultur-Betrieb völlig fehlen... Stefan: Ich bin da vielleicht etwas unsicher, auch wenn ich Dir in einer so allgemeinen Einschätzung völlig recht gebe, aber ich frage mich, ob so eine Haltung wie Arosa nicht schon ultra-reflexiv ist und nur ich die doppelte und dreifache Wendung nicht verstehe. Es ist ja nicht so, daß sie nicht nichts machen, aber es ist so frei von jeglicher Art gesellschaftlicher Bezüge, daß ich beinahe mißtrauisch werde, ob ich nicht irgendetwas übersehe. Antonia spielt ein Tape ab, daß sie in ihrer Schule aufgenommen hat, wo sie Leute gefragt hat, was sie unter "Underground" verstehen. Die meisten bleiben bei einer bloßen Übersetzung stehen: "Das heißt irgendwie Unter, Untergrund, das sind Leute, die irgendwo unten sind..." oder "Leute, die lange schlafen, die nichts tun, die dagegen sind..." Stefan: Mir fällt auf, daß da schon gewisse Grundeinstellungen vertreten sind, "Untergrund", das sind welche, die im normalen bürgerlichen Arbeitsprozeß nicht auftauchen. Demnach wäre das "Ritz" schon Untergrund, denn um Sonntag nacht bis drei oder vier dort abzuhängen darf man am nächsten Morgen nicht allzu früh aufstehen müssen. Markus: Das würde ich nicht so scharf sehen, wenn Du um 10:00 Uhr bei der Arbeit sein mußt, dann kannst Du schonmal bis drei im "Ritz" bleiben. Stefan: Aber das normale Büropersonal fällt damit raus, die fangen doch schon um acht an. Markus: Schon - mich würde aber mal interessieren, was das für Leute sind, die so ins "Ritz" gehen, so von ihrer sozio-grafischen Struktur her... Stefan: Einkommen, Bildung, kulturelles Kapital - so eine bourdieusche Verzweigung aufzeichnen. Schätzen Sie eher Kunst oder Wurstwaren.... Pause Nichtstun in Bad HomburgThomas erzählt von seiner Zeit als Punker in Bad Homburg Anfang der 80er. Damals standen so an die 200 Jugendliche um das Kurhaus herum, tranken Bier aus Dosen - den ganzen Nachmittag. Das war eine Provokation, einfach herumhängen, Bier trinken, nichtstun. Damals konntest Du wirklich mit einem solchen Verhalten die Leute aufbringen. Heute ist das Phänomen vollkommen verschwunden. Markus: Heute hat sich das vielmehr nach innen verlagert, ist aus der Öffentlichkeit verschwunden, in Innenräume ausgewichen. Früher standen sie noch auf dem Marktplatz oder in der Fußgängerzone herum, heute finden sie sich im "Ritz" um gemeinsam abzuhängen. Es ist unsichtbar geworden. Nichtstun auf der ZeilStefan: Gerade las ich in der Rundschau einen Artikel, daß die Gemeinschaft der Zeil-Kaufleute wieder eine neue Initiative gestartet hat, um Penner und Herumhänger von der Zeil zu vertreiben: "Es ksönne nicht angehen, daß da Leute herumstünden, die nichts anderes zu tun häten als am Tag acht Büchsen Bier zu trinken." (Wie sie das wohl gezählt haben?) Thomas: ähnlich wie schon die Vertreibung der Junkies aus der Taunusanlage. Nichtstun wird sofort mit Alkohol oder Drogen assoziiert. Stefan: Für mich bleibt immer noch die Frage: "Unter welchen Umständen ist Nichtstun heute noch subversiv?"
Fortsetzung
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