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Hör zu oder stirb - Lektüre des Seminars

2.5.1996, Café Karin  kamillentee

Anwesend: Markus Halbe, Stefan Beck

Notizen:

 

Stefan: Wir sollten vielleicht mal eine kleine Leseliste für unser Seminar anbieten; da wäre zum Beispiel:

Leseliste

  • "Im Zentrum der Peripherie" Kunstvermittlung und Vermittlungskunst in den 90ern. Herausgegeben von Marius Babias. Verlag der Kunst, Berlin. Dieses Buch hat einen guten theoretischen Teil, wo Begriffe wie "Underground" oder "Subversion" abgehandelt werden.
  • "speak" Akten All Eine ungefilterte Momentaufnahme der Gegenwartskultur in Worten und Bilder. Hrsg. von E. Höffner, H. Otteneder und H.Schubert, München 1995
  • A.N.Y.P. Nr.7 Zeitung für 1o Jahre. Hrsg. von Minimal Club, B_Books, Falckensteiner Str. 37, 10997 Berlin
    Sehr gute Beiträge zum Thema von Katja Diefenbach, Diedrich Diederichsen, Stephan Gregory u.a.

Was Markus zu Lovink sagt

Markus: Da habe ich gerade auch einen Aufsatz von Geert Lovink gelesen: "Hör zu oder stirb."

Lovink macht den Begriff der Gegenkultur sehr stark an dem fest, was er "temporäre autonome Zonen" nennt, also wenn ein Rave an einem bestimmten Ort für eine Nacht stattfindet und dann an den nächsten geht, sich nirgends auf Dauer einrichtet.

Es käme darauf an sehr schnell zu werden, Räume zu besetzen und wieder aufzugeben. Er glaubt auch nicht mehr an zusammenhängende Ziele, jede autonome Zone existiert monadenhaft für sich allein. Ich habe da sehr starke Zweifel, ob das Konzept so funktionieren kann.

Ich würde da eher auf Adornos "totale Gesellschaft" verweisen, Du kannst Dich heute dem drumherum einfach nicht mehr entziehen, so autonom kannst Du gar nicht mehr sein, Du bist immer von Deiner Umgebebung abhängig.

Monade Zeichnung

Produktion des Anderen

Stefan: Genau, aus diesem Grund habe ich versucht Kunst als "vergesellschaftete Produktion des Anderen" zu begreifen, der Künstler arbeit nicht als Individuum, sondern in ihm drückt sich immer die gesellschaftliche Wirklichkeit aus. Sein Schaffen ist daher auch immer mechanisch, weil es die aktuell gültigen Methoden der Produktion reflektiert.

Es ist eben auch "Ausdruck" wenn jemand noch malt, wenn andere mit dem Computer einbilden. Dieses ganze Gerede von den "individuellen Mythen" ist völliger Quatsch. Insofern bin ich auch skeptisch bezüglich solcher Monadengedanken.

Die Frage ist doch immer: wie steht die Monade in Beziehung zu anderen Monaden? (vorausgesetzt es ist kein völliger Solipsismus) Gesellschaft geht dem Individuum immer voraus.

Wenn wir so eine andere Monade ansehen, wie Arosa 2000, dann geht denen ja schon eine bestimmte Struktur voraus: StarDAX - Digital Artists Experience.

"Digital" sagt aber beinahe alles, es ist die ganze Operationsbasis. Computer, Video, CD-ROM, Internet.

Da kann mir niemand etwas von Monade erzählen, denn Computer sind nichts anderes als vergesellschaftete Erfahrungen in Kistenform. Eine bestimmte Gesellschaftsform bringt eben genausolche Geräte hervor.

Wenn sie ein Rave als "temporäre autonome Zone" verstehen wollen, so bleibt immer noch zu erklären, woher eigentlich der Sampler kommt, mit dem sie ihre Beats erzeugen. Die Grundlage ihrer noch so schmalen Existenz ist doch die gesellschaftliche Arbeitsteilung, die derartige Geräte hervorbringt.

Markus: Richtig. Da kommen wir doch auf den guten alten Marx zurück: Das Sein bestimmt das Bewußtsein.

Stefan: Kennst Du den Künstler Mauricio Nannuci? Der hat eine schöne Zeichnung angefertigt bezüglich der Monaden und ihrer verschiedenen Gesellschaftsformen. Feudale, primitive und moderne Gesellschaft.

 

Adorno und Monaden

Was generiert Subkultur

Markus: Um auf unser Thema zurückzukommen: Was generiert eigentlich die Subkultur? Aus welchem Bedürfnis heraus entsteht sie? Warum gibt es Techno-Kultur?

Stefan: Das wissen wir nicht. Wäre aber mal nachzufragen. Wir sollten uns überlegen, welches Instrumentarium wir bräuchten, um einer solchen Frage nachzugehen. Hypothese: Wir wollen nur unseren "Spaß". Wieso aber "Spaß"? Und was bringt "es" dazu käufliche Ereignisse zu erzeugen? "Spaß" auf Kredit?

Markus: Ja, was drückt "es" aus? Ist "es" eine Jugendbewegung? Nebenbei, die Marie-Helene hat mir erzählt, daß es an der Konstabler Wache zwei scharf getrennte Szenen gibt, von denen die eine nur Hip-Hop, die andere aber Rai hört. Das geht auch bis in die Jugendzentren hinein.

Stefan: Auf jeden Fall funktioniert die Identifikation über Jugend. Es ist auch nur in einer arbeitsteiligen Gesellschaft denkbar, einer spezialisierten Gesellschaft, wo genügend Leerräume bleiben, die nicht mehr von allen gleichzeitig überblickt werden können.

Braucht es Repression

Markus: Und es muß auch Repression vorherrschen.

Stefan: Da bin ich mir nicht so sicher. Da stelle ich mir auch den Nachweis sehr schwierig vor. Denn um Repression auszumachen, muß ich ja immer einen Vergleich mit einem nicht-repressiven Zustand herstellen können, der nicht zur gleichen Zeit am gleichen Ort existieren kann. Der Verweis auf "Repression" ist daher immer transzendental auf ein anderswo, ob Zukunft oder Vergangenheit, gerichtet.

Markus: Dann besteht ja immer die Hoffnung, daß ich als Schizo durchkomme, daß ich einfach solange Krankheit und Andersheit vortäusche bis sie mich in Ruhe lassen.

Stefan: Das halte ich für utopisch, verklärt die Lage der wirklich psychisch Kranken und Internierten. Und letztlich beraubt es Dir alle produktiven Möglichkeiten. Du wirst zwar reden können, was Du willst, aber keiner wird Dich hören.

Markus berichtet kurz vom "Sozialistischen Patientenkollektiv", die in den 70er auch Anschläge parallel zur RAF verübt haben sollen. Davon war mir nichts bekannt.

Subkultur als Senke

Stefan: Informationstechnisch würde ich Subkultur als eine Senke bezeichnen, in die ständig gesellschaftliche Information abfließt. Information kann dort bleiben oder auch verwandelt zurückkehren. In diesem Fall haben dann ihre Träger den Aufstieg in die etablierte Gesellschaft geschafft. Kurz gesprochen. Wir wissen aber immer noch nicht, wie diese Senke entsteht.

 


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